Während der Pandemie haben Lockdowns auf der ganzen Welt die Digitalisierung weiter beschleunigt. Nach Angaben von Statista erreichte der prozentuale Anteil der Online-Verkäufe am Gesamtumsatz während des Höhepunkts der Pandemie in den USA 22 % und in Großbritannien über 31 % – und dieses Wachstum wird anhalten.
Fast täglich wird von neuen technischen Fortschritten und Innovationen im E-Commerce – vor allem im Social-Commerce-Bereich – berichtet. Es ist schwierig genug, mit der Entwicklung Schritt zu halten – wie soll man sich da darauf vorbereitet, was 2022 kommen könnte? Wie also sehen die Trends im Handel aus und worauf sollten Sie im nächsten Jahr besonders achten?
Trend Nummer 1: Metaverse und NFTs
Facebook hat den Start seines Metaverse-Projekts für das Jahr 2021 angekündigt und das wird etwas ganz Großes – vielleicht größer als (unsere) Welt! Und dabei handelt sich nicht nur um einen Spielplatz für virtuelle Realität, sondern auch Augmented Reality wird in das Gesamterlebnis integriert. Mittels einer speziellen Brille erhalten Metaverse-Nutzer Zugang zur Augmented Reality oder erweiterten Realität - ganz egal, wo sie sich gerade befinden. Doch wie wird damit Geld gemacht?
Wenn Ihnen NFTs bislang noch nicht begegnet sind, können Sie sich darauf verlassen, dass Sie bis Ende 2022 bestens mit dem Thema „Non-Fungible Tokens“ vertraut sein werden. Einst war es nicht mehr als ein schlechter Scherz – digitale Authentizität galt lange als Widerspruch in sich –, doch mittlerweile bieten NFTs unendliche Möglichkeiten für Online-, Offline- und Metaverse-Transaktionen. Opensea, der größte NFT-Handelsplatz, verzeichnete allein im August 2021 einen Anstieg des Handelsvolumens um 12.000 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres – das Handelsvolumen betrug über drei Milliarden US-Dollar.
Es ist keine Überraschung, dass Big Retail die Zeichen der Zeit erkannt hat und das Metaverse bereitwillig aufgreift. Kurz nachdem Adidas seine Zusammenarbeit mit dem „Bored Apes Yacht Club“, einem exklusiven und unglaublich erfolgreichen „Club“, dessen Avatare als digitale Sammlerstücke ein Vermögen wert sind, angekündigt hatte, erwarb Nike das NFT-Kunststudio RTFKT, das Sammlerstücke herstellt. Die Möglichkeiten im Metaverse sind endlos.
Sie können sich eine Rolex kaufen und dazu das digitale NFT-Gegenstück erhalten. Oder kaufen Sie ein Paar digitale Asics-Sportschuhe, die Sie dann beim Meta-Joggen tragen können. Augmented Reality führt Menschen zu Offline-Geschäften, wo sie von virtuellen Assistenten bedient werden – oder sie erledigen ihren Einkauf gleich virtuell von zu Hause aus. Dies sind nur einige Beispiele für aufregende neue Entwicklungen im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung auch im Handel. Nicht nur Zuckerbergs Metaverse und Instagram bereiten sich auf die neue NFT-Welt vor – auch Twitter und TikTok arbeiten bereits an entsprechenden Integrationen.
Für Unternehmen, die nicht über die finanziellen Mittel von Asics, Rolex oder Nike verfügen, besteht die Herausforderung darin, Low-Tech-Möglichkeiten zu finden, um Kollektionen und dazugehörige NFTs zu entwerfen und dann ständigen Zugang zu den Wallets zu behalten, in denen sie aufbewahrt werden - das alles, ohne sich finanziell komplett zu verausgaben.
Ganz unabhängig von der Art der Handelsumgebung – virtuelle oder erweiterte Realität oder herkömmliche Ladengeschäfte – ändert sich nichts an der alten Weisheit, dass Verkäufer den Kunden ihre Produkte auf eine Weise präsentieren, die diese anspricht, die Marke stärkt und zum Verkauf führt. Einige Aspekte des Verbrauchermarketings werden sich vielleicht nie ändern, aber ein Umdenken in Bezug auf Handelsumgebungen, die das neue Metaverse und dessen kommerzielle Möglichkeiten integrieren können, wird völlig neue Modelle für die Produktinformationsskette (PIVC, die “product information value chain”) erfordern.
Trend Nummer 2: Livestream-Shopping – Millennials modernisieren das Teleshopping
Einer der meistdiskutierten und überraschendsten Trends im Jahr 2021 war die Reinkarnation und Neuauflage des guten alten Teleshoppings. Jetzt heißt es „Livestream-Shopping“ und läuft ganz digital, aber die Inspiration für die neuen Shoppingformate von Millennials und Generation Z kommt eindeutig von althergebrachten Formaten.
Jedoch sollte man sich nicht vom “Old School”-Aspekt blenden lassen. Die Kombination aus Influencern und Live-Shopping wird mit Sicherheit große Wirkung zeigen. Social Commerce macht In-App-Käufe für Milliarden von vertrauenswürdigen und aktiven Nutzern möglich – ein enormes Potenzial für Conversions. Pinterest TV und die Live-Shopping-Events von Instagram sind nur zwei der größeren Projekte der letzten Zeit. Auch Walmart bietet seit November 2021 gemeinsam mit Twitter Livestream-Shopping-Angebote in Nordamerika.
Trend Nummer 3: Nachhaltiges Shopping entkommt aus seiner Nische
Mit Ausnahme von Kaffee und Schokolade, wo schon länger auf Nachhaltigkeit geachtet wird, haben bisher nur wenige Verbraucher wirklich gezielt nach Produkten gesucht, die nach objektiven Kriterien nachhaltig hergestellt, transportiert und verkauft werden. Das ändert sich jedoch gerade. Im European E-Commerce Report 2021 wird bestätigt, dass das Thema Nachhaltigkeit den Verbrauchern in allen Ländern Europas am Herzen liegt.
Die Verlagerung hin zu Social und Mobile Commerce gibt den Käufern einen sofortigen Einblick in die Lieferkette mit Angaben zu Beschaffung, Inhaltsstoffen, Verpackung, Lieferoptionen - quasi zu allem! Ungerechtfertigtes Greenwashing gehört glücklicherweise der Vergangenheit an und die langfristigen Risiken für das Markenimage überwiegen inzwischen bei weitem gegenüber allen kurzfristigen Vorteile solcher haltlosen Behauptungen. Käufer, die die Zusammenhänge zwischen Umweltproblemen und fehlender Nachhaltigkeit von Produktion und Lieferketten verstehen, sind heute die treibende Kraft hinter dem phänomenalen Wachstum von nachhaltigem Einkaufen.
Unternehmen sind sich der Transparenz des Internets bewusst und bemühen sich ernsthaft darum, in den entscheidenden Momenten, in denen die Verbraucher über einen Kauf nachdenken, auf die Nachhaltigkeit ihrer Produkte hinzuweisen. In einer Umfrage aus dem Jahr 2020 schätzte IBM, dass 75 % der Befragten es entweder „sehr wichtig“ oder „wichtig“ finden, dass ihre Einkäufe nachhaltig und/oder umweltverträglich sind. Vorausschauend auf das Jahr 2022 werden Feedbackschleifen von Kunden zu Verkäufern wichtiger denn je sein. 3D-Handel stellt dabei ein wichtiges Werkzeug dar, um zunehmend aufgeklärten und misstrauischen Verbrauchern die eigene Nachhaltigkeit glaubhaft zu vermitteln.
Im Moment gibt es unzählige Arten von Bewertungs- und Zertifizierungssystemen für Nachhaltigkeit. Es ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren allmählich eine Normierung der verschiedenen Standards eintritt und diese auch Einzug in die Gesetzgebung halten. Dies wiederum wird enorme Auswirkungen auf Verkäufer und Vermarkter haben, die versuchen, die tatsächliche Nachhaltigkeit ihrer Produkte und Lieferkettenwerbewirksam einzusetzen – schon jetzt schießen Agenturen für ganzheitliche grüne Marketingkampagnen aus dem Boden. In der Zwischenzeit ist zu erwarten, dass nachhaltiges Einkaufen – und das ihm zugrunde liegende, äußerst wichtige Wertesystem – seine Präsenz im Einzelhandel weiter festigen wird.
Trend Nummer 4: Mehr Hyper-Personalisierung und kundenspezifische Anpassung
Einer der großen Widersprüche der Massendigitalisierung ist, dass die individuelle Identität der Verbraucher dabei nicht geschwächt, sondern gestärkt wurde. Personalisierung und Kundenfokus sind ganz klar im Trend. Der Trend zur Hyper-Personalisierung und zu persönlicher Interaktion mit dem Verbraucher wird sich 2022 weiter beschleunigen.
Warum? Weil das die Verbraucher von den Marken erwarten, bei denen sie einkaufen. Social-Commerce-Plattformen und digitale Marktplätze haben dazu geführt, dass Verbraucher heute überall ganz individuelle Einkaufserlebnisse erwarten. Die online gemachten Einkaufserfahrungen haben zu einer Weiterentwicklung der Verbrauchererwartungen in der Omnichannel-Landschaft und all ihren Handelsplätzen geführt.
Die Erwartungen wurden vom E-Commerce auf den traditionellen Handel übertragen. Ein Beispiel ist Ralph Lauren und die Möglichkeit, Kleidungsstücke im Geschäft auf Kundenwunsch individuell und nachhaltig einfärben zu lassen. Kunden können Ihr Lieblings-Poloshirt einfach in der von ihnen gewünschten Farbe verlangen. Nike for You-Sneakers und personalisierte Schuhe von Adidas sind zwei Beispiele für Produkte, die bislang offline angeboten wurden, um durch Personalisierungsoptionen den Online-Marktanteil zu erhöhen.
Im Jahr 2022 wird es mit ziemlicher Sicherheit zu einer erheblichen Zunahme der individuell gestaltbaren Mode und des dafür erforderlichen hyper-personalisierten Einkaufserlebnisses kommen. Die Feedbackschleifen vom Kunden zum Verkäufer, die maßgeschneidertes Einkaufen ermöglichen, erfordern eine kontinuierliche Ausweitung der 3D-Commerce-Technologie, was wiederum die Identifizierung und Umsetzung neuer Produktinformationketten (PIVCs) ermöglichen wird.
Trend Nummer 5: Die Grenzen zwischen Offline- und Online-Handel verschwimmen weiterhin
Die pandemiebedingten Lockdowns in aller Welt zwangen den stationären Einzelhandel zu Investitionen in Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle, um überleben zu können. Dies führte zu einer explosionsartigen Zunahme von Online-Offline-Hybridgeschäftsmodellen, die viele Filialgeschäfte und Einkaufszentren vor dem Ruin bewahrt haben.
In dem Maße, in dem Offline-Marken über Click & Collect online gehen oder ihre stationären Geschäfte umgestalten, damit Kunden sich die Produkte ansehen können, bevor sie nach Hause gehen, um online zu kaufen (wie es zum Beispiel zum Geschäftsmodell von Tesla gehört), gibt es eine ähnliche Entwicklung bei Online-Marktplätzen, die sich auf den stationären Handel konzentrieren. Abgesehen von Amazons großem Schritt hin zu stationären Geschäften, schaffen auch kleinere Marken, die online begonnen haben, eine Offline-Präsenz für ihre Marken und Produkte in Geschäften: Peloton, Warby Parker, Allbirds, Gymshark und Hedoine sind nur einige Beispiele.
Es bleibt abzuwarten, wie sich Googles Local Inventory Ads (LIA) entwickeln, die derzeit in Europa eingeführt werden. Im super-hybriden Shopping-Modell von Google können Käufer online nach Artikeln suchen, die in Geschäften um die Ecke zu haben sind. Die Käufer können dann wählen, ob sie in den Laden gehen und sich die Artikel persönlich ansehen wollen, bevor sie im Geschäft kaufen, oder ob sie sie per Click & Collect sofort kaufen und abholen.
Angesichts zunehmendem Verschwimmen der Grenzen zwischen Online und Offline wird sich der Trend zum nahtlosen Omnichannel-Handelserlebnis auch 2022 fortsetzen. Die Marken beginnen zu begreifen, dass der stationäre und der elektronische Handel nicht zwei getrennte Einheiten sind, sondern zwei Aspekte eines Einkaufserlebnisses, das sich immer mehr zu einem Ganzen zusammenfügt.
Trend Nummer 6: Weniger Markenbindung, weil Kunden Wert auf Leistung legen
Der Kunde ist nicht mehr der sprichwörtliche “König”. Vielmehr wird er zunehmend zum eigensinnigen Einhorn – zumindest aus der Sicht des Brandings. Während Verbraucher früher eher Gewohnheitstiere waren, untergräbt die starke Verbreitung von immer mehr Kanälen die Markentreue und ändert das Verbraucherverhalten bis zu dem Punkt, an dem der erste Kauf bei einer Marke zugleich auch der letzte Kauf sein kann. Performance-Marketing (nicht Branding) ist jetzt der Schlüssel, um Käufer für sich zu gewinnen. Das wird sich auch 2022 nicht ändern. Ich erwarte einen intensiven Wettbewerb bei der Entwicklung von Lösungen die den Bedeutungsverlust von Marken entschleunigen oder sogar den Spieß wieder umdrehen.
Was sich 2019 abzeichnete, 2020 ganz deutlich wurde und 2021 mal mehr, mal weniger ein Thema war, droht uns 2022 nun zu überrollen. Commerce Anarchy hat die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Marken Fehler begehen – Fehler, die unmittelbare und schwerwiegende Folgen haben können –, wenn sie ihre Produkte über die schier unzähligen verschiedene Kanäle und Marktplätze an die Verbraucher versuchen durchzuzwängen.
Manche Marken geben ihren Alleingang auf und gehen Kooperationen mit anderen Marken ein, um mit größeren Namen konkurrieren zu können – wie zum Beispiel das Haushaltswarengeschäft Bed, Bath & Beyond und die Supermarktkette Kroger in den USA. Sei es nun die Kooperation mit anderen Marken, um mehr Sichtbarkeit zu erreichen, oder eine Lösung wie das Product-to-Consumer (P2C)-Management – Unternehmen suchen aktiv nach Lösungen, um Branding-Desaster zu vermeiden.
Trend Nummer 7: Mit dem Wachstum von Social Commerce entstehen mehr Herausforderungen für Verkäufer
Alle Social-Media-Netzwerke bieten mittlerweile In-App-Käufe an oder beginnen mit deren Integration. Social Commerce wird also auch in den kommenden Jahren ein exponentielles Wachstum verzeichnen. TikTok, das sein Social-Commerce-System als Community Commerce bezeichnet, ist seit 2021 dabei. Zu beantworten bleibt eine wichtige Frage: Wie können Verkäufer all diese Kanäle zur richtigen Zeit nutzen, um die richtigen Verbraucher zu finden und ihnen dann perfekte Produktinformationen zur Verfügung zu stellen?
Da der Erfolg von Social Commerce von der Bereitstellung nahtloser Erlebnisse abhängt, werden Marken, Einzelhändler, Marktplätze und Dienstleister weiterhin in das Product-to-Consumer-Management (P2C) investieren, damit ihre Produkte die Kunden im komplexen Social-Commerce-Labyrinth auch erreichen.
Wir sind nicht mehr weit von einer Zeit entfernt, in der die Interaktion zwischen Marken und Verbrauchern über eine einzige Plattform abgewickelt werden wird. Doch bis es soweit ist, brauchen Unternehmen P2C-Managementpartner, um ihre Marktposition zu halten und nachhaltigen Erfolg zu erzielen.
Trend Nummer 8: Mehr Marktplätze mit weniger Anbietern – ein Widerspruch im Handel?
Online-Marktplätze schießen wie Pilze aus dem Boden und die einstigen Offline-Handelsriesen sorgen für Schlagzeilen. Kürzlich kündigte die US-Einzelhandelskette Michaels einen eigenen neuen Marktplatz als Konkurrenz für Etsy an und auch der große europäische Technologie-Einzelhändler MediaMarkt plant den gleichen Schritt. Die Mirakl-Plattform hat sich darauf spezialisiert, Einzelhändlern den Weg zum eigenen Marktplatz zu erleichtern.
Dieser Trend wirft zwei entscheidende Fragen auf. Ist es für Einzelhändler klug, eigene Online-Marktplätze aufzusetzen? Und wie wirkt sich das auf Marken aus? Die Antworten auf diese Fragen werden sich mit der Zeit ergeben.
Einen Marktplatz ins Leben zu rufen ist eine Sache, ihn auf Dauer am Laufen zu halten eine andere. Sobald ein Einzelhändler einen Marktplatz eröffnet, muss er auch Verkäufer anlocken. Da immer mehr Marktplätze entstehen, wird es immer schwieriger, hochwertige Anbieter für sich zu gewinnen.
Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass immer mehr Verkäufer von den Marktplätzen verschwinden. SellerX ist nur ein Beispiel für ein Startup, das mittelgroße Verkäufer zu größeren Shops zusammenfasst und dann konsolidiert, indem es mittels technischer Lösungen und Investoren Verkäufer anzieht.
SellerX zieht gerade immer mehr Verkäufer von Amazon in Europa an und OpenStore tut dasselbe mit Shopify in Nordamerika: Die Stores verkaufen sich und der neue Eigentümer konsolidiert seine Übernahmen zu effizienten Super-Seller-Läden. Die große Frage ist hier, ob die Verkäufer einfach abkassieren oder ob die Commerce Anarchy diese Verkäufer dazu zwingt, das Handtuch zu werfen.
Die P2C World Tour 2022
Die P2C World Tour kommt Anfang 2022 auch in Ihre Nähe. Melden Sie sich jetzt für eine Veranstaltung in Ihrer Nähe an und erfahren Sie mehr darüber, warum eine Product-to-Consumer-Strategie für den Erfolg unerlässlich ist und wie man sie umsetzt. Wo die Tour Halt macht, erfahren Sie hier.